Gehörlosblog – Interview mit der Autorin Heike Wanner

Die Autorin Heike Wanner gilt mittlerweile als ein Geheimtipp. Sie hat schon 7 heitere Frauenromane geschrieben. Mit einem ihrer Bücher landete sie auf den Platz 33 der Bestsellerliste („Weibersommer“).

Heike Wanner (fotografiert von Michaela Philipzen)
Heike Wanner (fotografiert von Michaela Philipzen)

In ihrem neuesten Roman „Liebe in Sommergrün“ hat sie eine gehörlose Figur namens Felix eingebaut. Ich hatte als Gehörlosbloggerin die besondere Ehre, dass sie mich als Beraterin für ihren gehörlosen Protagonisten in ihrem Frauenroman ausgesucht hat. Und ich freue mich sehr, dass ich sie für das Gehörlosblog interviewen darf. Nach diesem Interview gibt es ein Gewinnspiel im Gehörlosblog, bei dem Ihr das Buch „Liebe in Sommergrün“ von Heike Wanner gewinnen könnt!

Gehörlosblog – Interview mit der Autorin Heike Wanner

1.) Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine gehörlose Figur in deinen Frauenroman mit aufzunehmen?

Das kam spontan beim Schreiben und war vorher nicht geplant. Die Idee hat sich dann schnell in meinem Kopf festgesetzt, und ich wurde sie nicht mehr los.

Zum Glück!

Denn die Figur Felix hat sich aus mehreren Gründen wunderbar in die Geschichte eingefügt: Er treibt die Handlung an entscheidender Stelle voran, sorgt später für ein wenig Humor und dann auch noch für ganz viel Herzklopfen.

Warum gehörlos? Warum nicht?!

Das Schöne am Bücher-Schreiben ist ja, dass man seine eigene Welt erfinden darf, inklusive der Personen, die in dieser Welt leben. Die Charaktere in meinen Geschichten waren schon alles Mögliche: Single, alleinerziehend, krank, trauernd, schwanger, verliebt, unglücklich verheiratet etc… Warum kann es nicht auch mal ein Mensch mit Behinderung sein?

Wir leben doch alle miteinander, und es ist gar nicht so selten, dass sich ein Mensch ohne und ein Mensch mit Behinderung ineinander verlieben. Nur wird das in Romanen – wenn überhaupt – immer mit großem Drama inszeniert und geht selten gut aus.  Der Held mit Behinderung zerbricht entweder an seinem Schicksal, wird geheilt oder stirbt.

Ich wollte zeigen, dass es auch anders funktioniert. Felix führt ein ganz „normales“ Leben. Nur eben mit der kleinen Besonderheit, dass er nichts hören kann.

2.) Du hattest in Deiner eigenen Familie einen Onkel, der als Kind im 2. Weltkrieg auf der Flucht durch Bombeneinschlag ertaubte. Wie war nach Kriegsende die Förderung gehörloser Kinder?  Wie hast Du Dich mit ihm unterhalten? Kannst Du Dich noch erinnern, was an ihm besonders war?

Mein Onkel ist leider schon früh verstorben, und ich habe nicht viele Erinnerungen an ihn. Doch ich weiß noch, dass er ein total lieber Mensch war, der geduldig und gern mit mir und meiner Kusine gespielt hat. Unsere Verständigung klappte irgendwie mit Händen und Füßen. Ich glaube, als Kind denkt man gar nicht groß darüber nach, sondern improvisiert einfach drauflos.
Soweit ich weiß, gab es in den ersten Nachkriegsjahren keine gezielte Förderung für Gehörlose. Die Leute hatten andere Probleme – so schlimm, wie das heute auch klingt.

3.) Als Du gefragt hast, ob es realistisch wäre, wenn die gehörlose Romanfigur Felix den Beruf Fotograf und Journalist hat, war ich davon so begeistert und zugleich berührt. Denn es gibt Klischees, dass Gehörlose dieses und jenes nicht können. Du jedoch hast Dich gar nicht mit diesen Klischees abgegeben, sondern deinen Blick offen gehalten für alle Möglichkeiten. Das finde ich so klasse! Möchtest Du uns dazu Deine Gedankengänge verraten?

Ich habe mich langsam an das Thema Gehörlosigkeit herangetastet und konnte dich immer wieder zu Rate ziehen. Zu Anfang wusste ich nicht viel, aber dank deiner Hilfe und dank der Präsenz des Themas in den neuen Medien habe ich schnell dazugelernt.

Wichtigste Erkenntnis: nicht jeder kann alles. Aber dieser Satz gilt für Menschen ohne Behinderung genauso wie für Menschen mit Behinderung. Und niemand sollte vorab irgendwelche Klischees entwickeln.

Mein Tipp: Einfach auf Menschen mit Behinderungen zugehen und keine Berührungsängste haben! Sie sagen oder signalisieren einem schon, was sie können und was nicht. Je besser man sich kennenlernt, umso schneller wird aus dem Klischee „behindert“ eine simple Eigenschaft – eine von vielen, so wie z.B blond, Brillenträger, männlich o.ä.

4.) Du hast dem gehörlosen Protagonisten ursprünglich keine so große Rolle zugedacht. Dennoch hat sich diese Figur verselbstständigt und sich weiter entwickelt. Wie war das für Dich beim Schreiben, dass sich eine Romanfigur anders entwickelte? Wie kam es dazu? Was hattest Du für ein Gefühl dabei?

Wohl jeder Autor hat es schon mal erlebt, dass eine Figur beim Schreiben plötzlich über sich hinauswächst. Meistens sind es dann diese ungeplanten Figuren, die einem im weiteren Verlauf der Geschichte besonders am Herzen liegen. Jedenfalls war das bei Felix und mir so …

In dem Moment, wo er ein Gesicht und eine „Stimme“ hatte, war er für mich aus der Handlung nicht mehr wegzudenken. Es wäre schade gewesen, ihm lediglich eine kleine Rolle am Rande des Geschehens einzuräumen. Denn dazu ist sein Leben einfach zu spannend und zu interessant. Außerdem hat er ganz wunderbar mit den anderen Hauptpersonen harmoniert.

Kurz gesagt: er passte einfach perfekt dazu.

5.) Wie haben Deine LeserInnen Deinen Roman „Liebe in Sommergrün“ mit der gehörlosen Figur aufgenommen?

In den Rezensionen war die Meinung zum diesem Thema durchweg positiv – was mich total freut und was mindestens zur Hälfte auch dein Verdienst ist, liebe Judith! Meine Leserinnen fanden die Felix-Geschichte „anrührend, gut recherchiert, glaubhaft, mutig und authentisch“ (um nur einige der Reaktionen zu nennen). Für mich ist das Bestätigung und Ansporn zugleich.

6.) Auf deiner Webseite www.heike-wanner.de steht unter anderem, dass Deine Bücher nicht unbedingt eine tiefe Botschaft haben. Deine Bücher sollen einfach nur gut unterhalten. Wenn Du die LeserInnen zum Schmunzeln bringen kannst, dann bist Du schon zufrieden. Und doch habe ich diese Frage: Was für eine Botschaft hast Du für hörgeschädigte LeserInnen?

Bleibt so offen und selbstbewusst, wie ich Euch im Netz oder persönlich kennengelernt habe! Und habt Geduld mit den Hörenden – viele von ihnen meinen es gar nicht böse, sondern sind einfach nur zu höflich oder zu schüchtern, um direkt auf Euch zuzugehen.

Wenn ich mit meinen Geschichten ein kleines bisschen dazu beitragen kann, dass wir uns besser verstehen, dann bin ich schon zufrieden.

Und natürlich freue ich mich besonders über Euer Feedback unter info@heike-wanner.de oder in Facebook.

Einen herzlichen Dank an die Autorin Heike Wanner für dieses Interview.

Es war mir eine sehr große Freude, für sie während ihres Buchprojektes als Beraterin zu fungieren. Sie stellte mir jede mögliche Frage ohne Scheu und hinterfragte auch mehrmals meine Antworten. Die Selbstverständlichkeit meines gehörlosen Alltags war für mich so wie ein Fisch im Wasser, der das Wasser nicht mehr wahrnimmt. Ich beobachtete also meinen Alltag neu. Einige Male musste ich meine Lebenserfahrungen entsprechend der Perspektive des Hörenden umschreiben. Hier half mir mein hörender Mann. Ich stellte dabei fest, dass ich manchmal das Gegenteil beschreiben musste, damit die Gehörlosigkeit mit der Auswirkung auf die Kommunikation in der hörenden Gesellschaft verstanden wurde. Das hat mir zu denken gegeben und mich gleichzeitig sensibilisiert für die Wahrnehmung aus verschiedenen Blickwinkeln. Es war ein Geben und Nehmen zwischen der Autorin Heike Wanner und mir. Dafür sage ich DANKE!

Jetzt zum Gewinnspiel: Dank der Autorin Heike Wanner habe ich Bücher von ihrem Verlag gesponsert bekommen für das Gehörlosblog-Gewinnspiel. Es wird in ein paar Tagen bekanntgegeben. Bleibt dran und macht mit!

Eure Gehörlosbloggerin

Judith Harter

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