Zum Thema „Gehörlose als Unhöfliche abstempeln – Problem unsichtbare Behinderung“ gab es Kommentare, die auch das Thema Inklusion ansprachen. Ein Kommentar vom Gehörlosen Daniel Ly war darunter und ich fand es viel zu schade, seine top Antwort nur als Kommentar stehen zu lassen. Mit seinem Kommentar spricht er mir aus der Seele und ich hätte es gar nicht besser beschreiben können. Nun lasse ich hier Daniel Ly durch das Gehörlosblog sprechen:

Inklusion-Widerspruch in der Gesellschaft

und in der Gebärdensprachgemeinschaft (speziell Hörgeschädigte):

„Ich habe als gebärdender Gehörloser, der sehr gut Deutsch kann, viel mit Hörenden zu tun. Ich postuliere, dass Kommunikation drei Merkmale hat:

Kommuniziert man mündlich oder schriftlich?
Ist man zu zweit oder in der Gruppe?
Ist man Zuhörer und/oder Erzähler?

Ich kann zu zweit perfekt Gespräche führen. Ich kann einen Blog führen oder Zeitung lesen. Ich kann einen Vortrag lautsprachlich halten. Nur bei einer Sache brauche ich Hilfe (Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher):

Mündliche Kommunikation in der Gruppe als Zuhörer! Dies ist sozial auch die wichtigste Situation: Schule, Sitzungen, Familie, usw.

Das ist hart. Es braucht Kraft und Energie, um damit fertig zu werden. Ohne Unterstützung bekommt man einfach keine Informationen. Es ist wie wenn beim Recherchieren für einen dringenden Bericht das Internet ausfällt. Man dreht durch, weil man keine Informationen bekommt. Viele Menschen schaffen das nicht für eine längere Zeit, und ziehen sich darum frustriert oder gar wütend zurück.

Ein weiterer Grund für das subjektive Empfinden, dass Gebärdende Hörende ausschliessen, ist eine Schutzfunktion. Spricht ein Gehörloser Lautsprache, trägt er Barrieren in die Gruppe hinein, sprich, er schliesst die restlichen Gebärdenden aus. Das passiert automatisch. Das ist ein typisch menschliches Verhalten, das man auch auf hörenden Parties oft beobachten kann, z. B. wenn das Thema nicht allen interessiert oder aus anderen Gründen. Die Gruppe spaltet sich.

Natürlich ist das frustrierend für Hörende, die Gebärdensprache lernen wollen. Plötzlich ist er in einem Lautsprachdialog zu zweit, dem sonst niemand zuhört. Das wollen Gebärdende nicht und hüten sich darum in einem Gebärdensprachsetting, ihre lautsprachlichen Äusserungsorgane anzuwenden.

Hörende sind in der Gebärdensprachgemeinschaft schon willkommen! Das sehe ich immer wieder, dass das klappt! Was ist das Geheimnis? Das Eintrittsticket ist Mut, Offenheit, Hartnäckigkeit, eine gewisse Gebärdensprachkompetenz und das Zuhause-Lassen der Lautsprache. Nach einiger Zeit öffnet sich langsam eine neue Welt.

Es ist illusorisch sich vorzustellen, dass gemischte Lautsprach-Gebärdensprach-Gemeinschaften entstehen können. Lautsprache und Gebärdensprache sind wie Öl und Wasser, sie vermischen sich nicht. Es ist genau so illusorisch zu meinen, dass Gehörlose je gleichwertig an einer lautsprachlichen Gruppendiskussion teilnehmen können. Jegliche andere Behauptungen sind Augenwischereien und Verharmlosungen.

Und daher stammen die Widersprüche. Gebärdende Menschen fordern Inklusion, weil die Mehrheit von ihnen nun mal in der hörenden Welt leben und ein Auskommen finden müssen, andererseits müssen sie sich auch schützen, weil sie sonst nicht einmal unter sich barrierefrei wären.“

Einen ganz herzlichen Dank an Daniel Ly für sein Beitrag über das Thema Inklusion! Wenn Ihr mehr über Daniel Ly erfahren wollt . hier eine Reportage über ihn und seine Frau:

http://www.beobachter.ch/leben-gesundheit/lebenshilfe-soziales/artikel/gehoerlose_ich-bin-dumm-ich-gebaerde/

Seine Frau bloggt hier: http://www.ama-bericht.ch/

Was ich persönlich noch an dem Begriff „Inklusion“ irritierend empfinde, ist die Darstellung in den Medien, dass die Inklusion hauptsächlich die Schulen betrifft. Viele Menschen plädieren sehr stark für die Inklusion, dann wiederum gibt es Eltern und ErzieherInnen, die gegen die Inklusion an den Schulen streiken / sind, damit ihre behinderten Kinder in kleinen Klassen besser gefördert werden können – vor allem individuell.

Alles hat seine zwei Seiten und das ist bei der Inklusion auch nicht anders. Die Idee Inklusion ist sehr gut, jedoch sieht es in der Praxis sehr schwierig aus mit der Umsetzung.

Denn Behinderte, und eben auch die Gehörlosen – besonders im Informations- und Kommunikationsbereich – müssen leider immer wieder Abstriche machen in ihrem Leben.

Die Inklusion wird also nur da besonders gut greifen, wo die Menschen offen, aufgeschlossen und kommunikationsfreudig sind und anderen Menschen ebenbürtig begegnen.

Ich sag da lieber „Menschlichkeit“ als „Inklusion“ – denn nicht jeder versteht das Wort „Inklusion“ sofort und es bedarf soooooviel Erklärung beim Begriff Inklusion und das ist auch wiederum anstrengend. „Menschlichkeit“ hingegen versteht jeder sofort.

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  • Sehr interessant die Ausführungen.
    Ich werde dazu später noch etwas schreiben.
    Wunderbar – JUDITH GÖLLER- dass Sie das Thema aufgreifen.

    ERICH MEYER
    (hörend/Hamburg)

  • Vielen Dank auch von mir für den Beitrag zu meinen Kommentaren. Ich verstehe die Perspektive der Gehörlosen jetzt besser.

  • Ich komme noch einmal auf den Beitrag von Daniel Ly und Judith Göller zurück.
    Siehe meinen Kommentar vom 1. März des Jahres.
    Wie ich schon an anderer Stelle betonte, ist der Gehörlosblog sehr bereichernd für mich.
    Ich bin, darauf weise ich wieder neu hin, hörend. Ich habe über Jahre als Sonderschullehrer gearbeitet (im Blinden- und Sehbehindertenschulbereich),
    schaue aber gern, so, wie es Judith Göller in Ihrem neuen EU-Blog für sich sagt, über den Tellerrand hinaus.
    Nun noch ein paar Gedanken zur Inklusion.
    Dieser Terminus wird nun primär gebraucht – an Stelle des Begriffes Integration.
    Sicherlich ist es berechtigt, vom Wortsinn her den Begriff INKLUSION eingeführt zu haben. Er hebt mehr die Tatsache hervor, dass die Eingliederung „benachteiligter“ Menschen unter Einschluss der Gesellschaft zu geschehen hat.
    Bei der sicherlich gut gemeinten Absicht, mit dem Begriff Inklsion also auch diejenigen Menschen „mit ins Boot zu nehmen“, die vermeintlich nicht beeinträchtigt sind, bleibt dennoch die Frage, ob diejenigen Menschen, die nicht im „klassischen“ Sinne behindert sind, bereit sind, sich auf die Inklusion im richtigen Sinne einzustellen.
    Und hier knüpfe ich an den Gedanken von Judith Göller an, die den Begriff
    MENSCHLICHKEIT betont.
    Und in der Tat: Integration oder Inklusion kann sich dem Inhalt nach nur dann verwirklichen, wenn ein menschliches Miteinander, also die Wertschätzung desjenigen Menschen, der „anders“ ist, um das einmal so zu sagen, Leitlinie wird.
    Inklusion ist also mehr als schulische oder berufliche Eingliederung. Inklusion ist das
    Eingebundensein von Menschen in die Gesellschaft allgemein.
    Dabei ist es sicherlich gut, wenn Eltern behinderter Kinder zum Beispiel wünschen, dass ihr Kind in eine allgemeine Schule geht. Doch sollte man nicht die Augen davor verschließen, dass auch die Sonderschule für Kinder ein Ort sein kann, in dem sie sich
    entwickeln können.
    Ich weiß aus meiner Erfahrung heraus, dass Menschen, die nicht sehen können oder sehbehindert sind gern mit Menschen zusammen sind, die nicht sehbeeinträchtigt sind, aber auch ebenso gern Kontakt haben mit Menschen, die dieselben Erfahrungen/Probleme haben wie sie. Der Beitrag von Daniel Ly und auch Beiträge im Blog bestätigen, so meine ich, meine Auffassung.
    Man könnte seitenweise über das Thema schreiben – doch das ist nicht der Sinn eines Austausches im Blog.
    Es bleibt der Satz:
    Nur die HUMANITAS kann Barrieren zwischen Menschen aufbrechen und abbauen.

    ERICH MEYER

  • Lieber Erich Meyer,

    danke für Ihren erstklassigen Kommentar. Ich sehe, Sie haben mich richtig verstanden. Das habe ich gemeint!

    Herzlichst
    die Gehörlosbloggerin Judith

  • Hallo,

    ich bin 38 Jahre alt und setze mich in unserer Region sehr für Inklusion ein. Am meisten haben wir dabei mit Schulen und mit Kindern zu tun.
    Warum?
    Im Kindergarten klappt das bei uns mit dem gemeinsamen Spielen noch ganz gut. Zwar wissen die Leute nicht immer, wie sie mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen angemessen umgehen können. Aber die, die es gut machen möchten, lernen viel dazu.
    In den Schulen gehen die Wege in unserer Region dann meistens auseinander. Beim Lernen wollen viele Lehrkräfte und Eltern keine „Störung“ im Unterricht. Sie haben Angst, dass ihre Kinder beim Lernen „aufgehalten“ werden, wenn sie auf Kinder mit Behinderung Rücksicht nehmen müssen. Das liegt daran, wie es bei uns in der Schule aussieht. Nur wer in der Schule gut genug ist und alles schnell kapiert, kann auch Spass in der Regelschule haben. Sobald jemand einmal ein Problem mit etwas hat, hört der Spass in der Schule auf. Und jeder hat einmal ein Problem in der Schule. Sogar die ganz Guten. Deshalb wird auch so viel von Schülerinnen und Schülern auf Schule geschimpft. Ich denke, dass müsste nicht so sein.
    Wenn Schulen schaffen, guten Unterricht für alle Kinder zu machen, kann unsere Gesellschaft neu lernen, dass es Vorteile für alle bringen kann, wenn man auf die individuellen Stärken und Schwächen der Einzelnen Rücksicht nimmt.
    Lob, Motivation und interessante, auf das einzelne Kind zugeschnittene Aufgaben in der Schule machen das Lernen zu einem tollen Erlebnis für Kinder statt zu einer Qual. Am besten Lernen Kinder durch Spielen. Wer in Mathe z.B. sehr gut ist, dürfte so schnell arbeiten wie er/ sie will und bekommt besondere Knobelaufgaben am Computer. Wer hingegen eine Fremdsprache (z.B. Gebärdensprache) gut kann, darf den MitschülerInnen die Sprache, Lieder oder eine dazugehörige Kultur näher bringen. Die Älteren bringen Jüngeren etwas bei und lernen so selber besser dazu. Es gibt in den Gruppen Altersmischung und kein Sitzenbleiben. Wer zum Lernen länger braucht als andere, bekommt einfach mehr Zeit und muss die Gruppe nicht dafür verlassen, weil jeder an einer anderen Aufgabe arbeiten kann. Es gibt kein Sitzenbleiben mehr. Mehr HelferInnen arbeiten in einer Gruppe, je nach Bedarf DolmetscherInnen, PädagogInnen oder KrankenpflegerInnen. So könnte Schule in Zukunft aussehen. Dafür braucht es nicht viel mehr Geld- wenn das Geld anstatt in Förderschulen in inklusive Schulen gesteckt wird. Und wenn besonders motiviert arbeitende Schulen besonders gute Unterstützung erhielten, würden sie sogar ganz gerne mitmachen.
    Wenn alle Kinder in solche Schulen gehen, in denen viel soziales Lernen stattfindet, ist es auch möglich, die Gesellschaft langfristig damit zu verändern. Glaube ich.
    Vielleicht ist es eine Illusion, mit Inklusion mehr Menschlichkeit auch in die freie Marktwirtschaft zu transportieren, aber ich sehe, wie Kinder in gemeinsamen Unterrichtsmodellen viel kompetenter und sozialer handeln und Verantwortung lernen. Das weckt Hoffnung. Gleichzeitig ist Inklusion aber auch in Freizeit, Familie, in der Öffentlichkeit und im Berufsleben wichtig. Aber wenn ich mit einer inklusiven Schulklasse ins Kino gehe, und 25 Kinder beschweren sich lautstark für EINE Mitschülerin, dass es keinen Untertitel gibt und fordern ein Licht für die Dolmetscherin, ändert sich vielleicht schneller etwas…
    Wenn wir es schaffen, Inklusion in den Schulen „normal“ werden zu lassen, dann lernen Kinder und Lehrkräfte von Anfang an Rücksicht zu nehmen. Unsere Gesellschaft kann sich auf diesem Weg verändern. Da sich die Wege oft in der Schule trennen, zwischen Schlauen und Tatkräftigen, zwischen Deutschen und Ausländern, zwischen Armen und Reichen… denke ich, hier können wir gut ansetzen. Kinder sind oft viel lernfähiger als Erwachsene….

  • Liebe Sara Müller,
    danke für deinen Kommentar. So, wie du es beschreibst, habe ich dazu auch schon länger einen Artikel vorbereitet gehabt mit dem Titel: Inklusion – eine Illusion. Das habe ich nun eben endlich veröffentlicht:
    http://gehoerlosblog.de/inklusion-eine-illusion/
    Die Inklusion ist einer der Bereiche, die so komplex sind, dass man das oft nicht auf Anhieb versteht. Schon allein der Begriff ist so fremdwortartig, dass kein Leben ins Wort eingehaucht wird. Oder was meinst du?

    Herzlichst
    die Gehörlosbloggerin
    Judith

  • Liebe Judith,

    ich glaube ich weiß was Du meinst. Viele reden von Inklusion in der Schule, aber die Bedingungen in den Schulen werden nicht besser. Dabei heißt Inklusion, dass jeder das bekommt, was er zum Leben und Lernen benötigt. Wenn ein Kind DGS benötigt, dann bekommt es das auch und zwar dort, wo seine Familie lebt und die Geschwister und Nachbarkinder in die Schule gehen. Sonst kann man nicht von Inklusion reden.

    Ich versuche Dir zu beschreiben, was ich mit Inklusion meine. So war es jedenfalls bei uns: Wir haben als Eltern für Inklusion gekämpft. Zunächst durfte meine gehörlose Tochter dann auf die Regelschule, obwohl sie eigentlich auf die Förderschule müsste. Aber wir haben auch dafür gekämpft, dass sie eine Dolmetscherin bekommt. Am Anfang wollte die Grundschule das nicht akzeptieren. Wir wollten wissen, warum? Die Hörgeschädigtenschule hat die Grundschule falsch beraten. Sie haben gesagt, dass die DGS Lautsprache verhindert. Also mussten wir erst beweisen, dass unsere Tochter besser Lautsprache lernt, WEIL sie die DGS hat (dabei hat uns unsere Logopädin geholfen). Dann durfte eine Dolmetscherin in die Schule kommen. Wir konnten sogar einen Gebärdenkurs mit der ganzen Klasse machen. Danach fanden alle Gebärden sehr cool. Ich habe noch einige Zeit eine DGS- AG in der Schule angeboten. Die Kinder waren davon sehr begeistert. Jetzt gebärden auch manchmal noch die LehrerInnen miteinander, um sich zu verständigen.

    Es war auch ein Junge mit ADHS in der Klasse meiner Tochter. Und bei einem anderen Jungen wurde ein autistisches Spektrum festgestellt. Jedes dieser Kinder bekam eine Schulbegleitung- ein paar Stunden in der Woche, immer andere Schulbegleiter. Weil die Klasse ohnehin so „bunt“ und die Klassenlehrerin eine ganz tolle Frau war, durften auch alle Kinder, die eine Behinderung hatten, an der Schule bleiben und wurden nicht auf die Förderschule geschickt. Dann haben wir Eltern uns zusammengeschlossen. Wir haben für EINE SchulbegleiterIn für ALLE Kinder gekämpft. Sie sollte der Lehrerin helfen UND gebärdenkompetent sein. Wir fanden es zu unruhig, dass drei verschiedene Hilfskräfte sich ständig in der Klasse abwechseln. Dafür haben wir einen Runden Tisch mit allen Ämtern (Sozialamt, Jugendamt und Schulamt) gehalten. Zum Schluss hat es geklappt: Eine Schulbegleitung war immer für alle Kinder da. Sie war Lehrerin für Hörgeschädigte und konnte toll gebärden. Wenn meine Tochter nicht gut mitbekommen konnte, was los war, hat die Lehrerin in Gebärdensprache übersetzt. Aber sie hat auch anderen Kindern in der Klasse geholfen. Und mit kleinen Gruppen gearbeitet. Und die Grundschullehrerin hat auch viel visuell und mit Bildern und Gegenständen gearbeitet. Und immer mit FM- Anlage. Dann hat meine Tochter sehr schnell und gut auch Lautsprache gelernt. Zum Schluss konnten einige Freundinnen ganz gut DGS sprechen. Auch in den anderen Klassen. Meine Tochter hat sich in dieser Klasse sehr wohl gefühlt. Als sie zur Klassensprecherin gewählt wurde, konnte ich es erst nicht glauben. Man merkt sehr deutlich, dass meine Tochter gehörlos ist. Sie spricht anders und oft wiederholen die Kinder etwas für sie und benutzen Gebärden mit, damit sie mehr verstehen kann. Das hat nur geklappt, weil alle mitgemacht haben: Die Lehrerin war super, die Schule war offen, die Kinder sind toll gewesen und wir Eltern haben zusammen gehalten. Das war ein schwerer Weg. Das Ergebnis war aber für alle Kinder sehr, sehr schön. Die ganze Klasse war zum Schluss etwas ganz besonderes. Alle hielten so gut zusammen. Und alle waren sehr traurig, als die Klasse auseinander ging.

    Ich fände schön, wenn das in Deutschland normal wäre. In der Grundschule, in der meine Tochter vor zwei Jahren noch war, sind inzwischen auch Kinder mit geistiger Behinderung, auch Kinder im Rollstuhl, Autisten, Kinder von der Sprachheilschule usw. An der Schule ist es jetzt normal geworden, dass Kinder verschieden sind und unterschiedliche Hilfen beim Lernen benötigen. Auf jedes Kind wird Rücksicht genommen. Das gefällt mir gut. Auch viele Kinder in der „Regelschule“ brauchen mehr Förderung. Manche können wenig Deutsch oder sind in einem Fach besonders schwach. Jedes Kind hat aber auch besondere Stärken. Wenn Kinder zu viel Niederlagen in der Schule erleben, verlieren sie den Mut und den Glauben an sich. Dann helfen ihnen auch die Stärken nicht mehr.
    Ich habe viele Hörgeschädigtenschulen angesehen und dort hospitiert, bevor ich meine Tochter eingeschult habe. Es gab Klassen, da konnten Kinder gut sprechen und verstehen und andere Klassen, da konnten die Kinder nicht so gut sprechen und verstehen. In diesen Klassen wurde weniger gelernt- das fand ich sehr unfair! Ich wusste, dass meine Tochter nicht gut genug sprechen konnte, um an der Hörgeschädigtenschule genug Lernen zu dürfen. Dabei ist sie sehr intelligent. Sie hätte sich gelangweilt und Dummheiten gemacht, wenn sie in eine Klasse gekommen wäre, wo die Kinder nicht so gut sprechen können und deswegen weniger lernen.
    Wenn die Kinder an der Hörgeschädigtenschule viel in Gebärdensprache unterrichtet werden, haben sie aber wenig Gelegenheit, auch Lautsprache und Leben mit Hörenden zu lernen. Und die Hörenden lernen nicht, wie man mit einem hörgeschädigten Menschen kommunizieren kann.

    Wenn es für hörgeschädigte Kinder schwierig in der Regelschule ist, können auch drei oder vier hörgeschädigte Kinder in die gleiche Regelschulklasse gehen. Dann könnte wenigstens eine Lehrerin teilweise dabei sein, die auch Gebärden sprechen kann. Wichtig ist, dass sich die beiden Lehrkräfte in der Klasse aber GEMEINSAM für ALLE Kinder verantwortlich fühlen und im Team arbeiten. Dann haben alle Kinder etwas davon. Menschlichkeit ist ein gutes Wort für Inklusion, finde ich. Aber ich fände schön, wenn gehörlose und hörende Kinder und Erwachsene lernen, gemeinsam miteinander zu leben und zu lernen.

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